Von der Weimarer Republik bis zur Kapitulation
Der 1. Weltkrieg war zu Ende, die erste Republik, die man die „Weimarer Republik“ nennen sollte, war gegründet. Überlebenswichtig waren in dieser Zeit die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Hier freute man sich in Belecke im Jahre 1921 über die Eröffnung der Baustofffirma Risse-Osterholt. Doch schon wenige Jahre später brach große Arbeitslosigkeit über Belecke und Umgebung herein: 1924/25 schloss die Westfäliche Union im Westertal ihre Pforten und entließ 240 Arbeiter, davon allein ca. 160 Männer aus Belecke. Die Weltwirtschaftskrise ab 1929 tat ihr übriges.
Die Ernennung Hitlers am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler wurde in Belecke wie in vielen anderen katholischen Gegenden bei weitem nicht von der Mehrheit begrüßt. Die Ergebnisse der letzten freien Wahlen im März 1933 zum Reichstag und zur Warsteiner Amtsvertretung belegen, dass das katholische Zentrum mit 50,4 % bzw 42 % der Stimmen mit Abstand stärkste Partei war, wohingegen die NSDAP nur 22,76 % bzw. 24 % erreichen konnte. Freilich war sie damit zweitstärkste Kraft in Belecke.
Die Belecker Bürger aber erfreuten sich vielmehr am 24. August 1934 der schon 1932 vom einzigen Ehrenbürger der Stadt Belecke, dem legendären Kaspar Bracht, initiierten Neueröffnung des Kaiser-Heinrich-Bades, die mehrere Arbeitsplätze schaffte. Im Jahre 1936 wurde das Belecker Freibad und in seiner Nähe ein Sportplatz errichtet. Vom 23. bis 26. Juli 1938 wurde ein fröhliches Fest zur 1000-Jahr-Feier der Stadt Bad Belecke in Verbindung mit dem Schützenfest begangen. Ein solches Fest bot selbstverständlich den braunen Machthabern des „tausendjährigen Reiches“ ungewollt ein propagandistisches Podium, auch wenn der gediegene historische Rückblick, u. a. mit einem Theaterstück von Franz Kesting über den Sturmtag unter dem Titel „Bis in den Tod getreu“, im Vordergrund stand. Eine Tonaufnahme dieses Theaterstücks wurde in den 1970er Jahres in der katholischen Grundschule (Waldschule) am Sturmtag über die Lautsprecheranlage den Schülern in die einzelnen Klassen hinein vorgespielt. Heute werden am Sturmtag heimatkundliche Wanderungen mit kindlichem Zuschnitt von der Westerbergschule und den Belecker Stadtführern durchgeführt.
Was viele in den Jahren seit 1933 nicht erkannt hatten: Hitler rüstete zum Krieg. Die Opposition wurde ohne jede Hemmungen ausgeschaltet. Auch die katholische Kirche in Belecke litt unter staatlicher Bedrückung und sogar einigen ideologiebedingten Kirchenaustritten. Pfarrer Schlechter, ein origineller, ebenso wissenschaftlicher wie volkstümlicher Priester mit großer Beliebtheit bei allen Bevölkerungsschichten, ließ sich nicht beeindrucken und verklagte sogar die Stadt Belecke auf Zahlung von Deputanten für die Baldachinträger, nachdem sich die Ratsherren geweigert hatten, den „Himmel“ bei Prozessionen zu tragen. Er ermutigt seine Vikare, die seine Kritik teilten, zum Widerstand. Vikar Fuest wurde zweimal von der Gestapo in Dortmund verhört. Vikar van den Hövel wurde im August 1935 sogar wegen einer Predigt gegen die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht zu einer 10monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Auch in Belecke wurde das Deutschtum von einigen Verblendeten überhöht. Die Deutschen wurden in Festansprachen, etwa zum Heldengedenktag, als ehrenhaftes „Volk von Soldaten“ hochstilisiert. Im Gegensatz dazu stand das öffentlich gebrandmarkte „Weltjudentum“ – eine heute nicht mehr nachvollziehbare schamlose Diffamierung.
Am 1. September 1939 überfiel die deutsche Wehrmacht, wie man die Reichswehr im Dritten Reich nannte, das verteidigungsunfähige Polen. Viele Hundert Belecker Männer und später auch Jugendliche und ältere Männer wurden im Laufe der knapp sechs Kriegsjahre zur Wehrmacht und dem Volkssturm eingezogen. Im Februar 1942 wurden die Glocken der Pfarrkirche St. Pankratius als kriegswichtiges Material beschlagnahmt. Nur eine Glocke fand 1945 ihren Weg nach Belecke zurück.
Anders als im Ersten Weltkrieg blieb die Stadt Belecke nicht von unmittelbarer Feindeinwirkung verschont, doch waren die angerichteten Schäden im Vergleich zu den großstädtischen Zentren gering. Die erste Fliegerbombe fiel am 20. April 1940 in eine Wiese oberhalb der Eisenbahnbrücke im Möhnetal. Es zersprangen einige Fensterscheiben. Ein ähnlicher Schaden entstand am 21. Oktober 1944, als zwei Fliegerbomben in Belecke niedergingen, eine in der Nähe des damaligen Personenbahnhofs, eine in der Nähe des Wasserturmes. Nun wurden verstärkt Luftschutzvorrichtungen gebaut, und zwar Stollen in den Propsteiberg, den Westerberg und den unteren Külbenstein getrieben sowie Bunker am Seller und am Schweißwerk errichtet. Am Hause Störmann war bereits ein Bunker und im Teufelsloch ein Stollen vorhanden. Die feindlichen Luftangriffe wurden von Februar bis April 1945 im Großraum Belecke so stark, dass die ersten zivilen Opfer beklagt werden mussten. So starb Martha Maria Berghoff auf dem Weg zur Arbeit am Warsteiner Bahnhof durch Granatsplitter. Bei einem Beschuss Beleckes am 5. April 1945 verlor Landwirt Johannes Wessel sein Leben. Ein bei Beda Stüting beschäftiger französischer Fremdarbeiter wurde am 23. März 1945 durch alliierte Fliegerbomben getötet. Das erste von Bodentruppen ausgetragene Feuergefecht bei Belecke datiert auf den 4. April 1945, bei dem elf deutsche Soldaten in der Nähe des Drewer Steinbruchs fielen und eine unbekannte Anzahl verwundet wurde bzw. in Gefangenschaft geriet. Weitere infanteristische Kampfhandlungen ereigneten sich in der Nähe der Külbenkapelle, bei denen auch zwei russische Fremdarbeiter ihr Leben lassen mussten. Am 5. April 1945 begann dann der amerikanische Angriff auf Belecke mit MG- und Granatfeuer sowie Panzerartilleriebeschuss. Bis zum 7. April 1945 wurden ca. 1.500 Schuss auf Belecke abgefeuert. Da die Bunkereingänge unter Beschuss lagen, konnte niemand die weiße Fahne schwenken. Die feindlichen Soldaten wurden immer verärgerter, da sie eine Kapitulation erwarteten. Möglicherweise kannten sie den ausdrücklichen Wehrmachtsbefehl, Belecke „bis zur letzten Patrone“ zu verteidigen. Es erfolgte jedoch kaum militärischer Widerstand, da nach anrücken feindlicher Panzerverbände die Wehrmachtsoffiziere heimlich die Aufgabe des Belecker Verteidigungsgürtels befohlen hatten.
Nur durch den Mut einzelner, etwa von Heinrich Tigges aus Castrop, gebürtiger Dreweraner, oder des Beleckers Josef Todt, gelang es, den Amerikanern eine entsprechende Botschaft zu übermitteln und schließlich ohne weitere Verluste die Kapitulation zu erklären. Wie wurde noch mit pseudo-religiösem Pathos nicht einmal sechs Jahre zuvor im Rahmen einer Veranstaltung der hiesigen Kriegerkameradschaft am 26. November 1939 in Belecke verkündet:
„Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, so ist es der Glaube an die eigene Kraft und der Glaube an die Kraft des gesamten Volkes. … Wir kapitulieren nie!“
Erstaunlich ist, dass schon 1939 überhaupt an Kapitulation gedacht wurde. Ein Omen für die Zukunft? Um 12.00 Uhr am 7. April 1945 hörte der Beschuss auf. Der 2. Weltkrieg in Belecke hatte sein militärisches Ende gefunden, die feindlichen Truppen zogen weiter Richtung Warstein und Suttrop. Allerdings sollte mit August Rhode noch ein weiteres Opfer beklagt werden müssen: Am 15. Juli 1945 wurde er von herum vagabundierenden ehemaligen Fremdarbeitern am Stimm-Stamm erschlagen. Ein Gedenkstein aus der Werkstatt des Belecker Steinmetzen Heinz Becker erinnert an dieses tragische Ereignis.